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Tendenzen, Entwicklungen und Trends in der Landschaftsarchitektur

LATZ RIEHL PARTNER Landschaftsarchitekten l Kassel

Prof. Wigbert Riehl

Utopien sollen zu neuen Ideen beflügeln. Dabei schließen Utopie und Wirklichkeit sich häufig einander aus. Während die Architektur sich ein eigenes Utopie-Genre entwickelt hat, blieb die Landschaftsarchitektur oft nur schmückendes Beiwerk. Anhand von in der Landschaftsarchitektur realisierten Projekten, sowie Forschungsprojekten sollen unterschiedliche Entwicklungsrichtungen- und Tendenzen aufgezeigt werden, die einerseits das breite Arbeits- und Planungsspektrum und andererseits den hohen ästhetischen Anspruch und die funktionale Qualität innerhalb der Landschaftsarchitektur veranschaulichen.
Der hohe ästhetische Anspruch geht dabei mit der funktionalen Qualität einher und stellt sich nicht als Widerspruch dar. Der Einsatz von digitalen Planungs- und Produktionswerkzeugen sollte daher unabdingbar für die Entwicklung neuer Betontechnologien für den Freiraum, ebenso für die Entwicklung von Regenwasser-
managementsystemen und die Entwicklung und der Begrünung extremer, künstlicher Standorte sein.

Quo vadis Landschaftsarchitektur?

Freiburger Gestaltungsbeirats-Mitglied Wigbert Riehl aus Kassel entwirft ein neues Berufsbild der Zukunft

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Es ist ein hartnäckiges Klischee, dass Landschaftsarchitekten zuständig fürs Grüne sind und für schmückendes Beiwerk sorgen – zu Unrecht, wie Wigbert Riehl in seinem Vortrag im Architekturforum zeigte. Riehl ist Gesellschafter des Büros Latz Riehl Partner in Kassel und setzt sich in seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit an der dortigen Universität mit den Zukunftsaufgaben für Landschaftsarchitekten auseinander. Zudem ist er Mitglied im Freiburger Gestaltungsrat. Das Berufsbild, das er den Freiburgern skizzierte, ist weit mehr als nur Bäume pflanzen: Er stellte Entwicklungstendenzen vor, die ein breites Arbeits- und Planungsspektrum und wichtige Zukunftsfragen unserer Zeit betreffen.

Im Jahr 2050 werden neun Milliarden Menschen auf der Erde leben, davon drei Viertel in den Städten – es wird also ein großes Versorgungs-, Umwelt- und Ressourcenproblem erwartet. Dringend müssen wir Treibhausgase, Flächenverbrauch und -versiegelung reduzieren, Transportwege verkürzen, Trinkwasser einsparen, regenerative Energiequellen nutzen – zum Beispiel, indem wir Stadt und Grün zusammen bringen. Verschiedene Studien suchen bereits nach Lösungen, zum Beispiel, indem man Flachdächer in den Städten als Agrarflächen nutzt. Allein in Deutschland sind von den etwa 1.200 Millionen Quadratmetern 360 Millionen nutzbar für Dachbegrünung. Weiteres Potenzial bieten postindustrielle Flächen: diese könnten mit schnell wachsenden Gehölzen für Biogasanlagen bepflanzt werden. Zwar sähe das nicht aus wie ein klassischer Park, aber es wäre doch ein grüner Ort mit hoher Aufenthaltsqualität. Ebenso gibt es Studien, die Flächen für Viehzucht und Landwirtschaft in den architektonischen Entwurf für Wohnungen und Büros integrieren.

Solche Konzepte, die sich Rooftop Farming, Vertical Farming oder InFarming nennen, muten noch sehr utopisch an und eignen sich vor allem für Megacities und Metropolregionen – aber es sind Konzepte der Zukunft, die weiter entwickelt werden müssen, meinte Riehl. Sein Büro setzt sich bereits seit 30 Jahren mit Dachbegrünungen auseinander. An einem realisierten Projekt, der Zusatzversorgungskasse (ZVK) in Wiesbaden, zeigte er, wie die Dächer großflächig begrünt wurden. Dazu gehören auch das Regenwassermanagement, die Planung der Retentionsbecken, die Rückführung des sauberen Wassers in den Kreislauf und die Verwendung von Substrat, das sogar Wasser in Trinkwasserqualität hinterlassen kann.

In Forschungsprojekten werden an der Uni Kassel unter anderem Bewässerungssysteme entwickelt, in denen das Wasser weder verdunstet noch verweht und somit hohes Wassersparpotenzial bieten. In einem anderen Forschungsprojekt wurden Substrate entwickelt, die mineralisch sind und auf denen sich also weder Fäulnis, Schimmel oder Pilze bilden können. Solches wurde auch im musealen Bereich, wie etwa für ein Kunstobjekt von Jeff Koons, eingesetzt. Selbst Beton lässt sich zu einem Nährboden für Pflanzen machen.

Solch visionäre Entwürfe gehen mit technischen Innovationen einher. Dabei spielen digitale Planungs- und Produktionswerkzeuge eine große Rolle. Besonders rätselhaft wirkte auf das Publikum das noch in den Kinderschuhen steckende Projekt Paralandscape: Eine Brille, die die direkte Übertragung des Entwurfs am Ort ermöglicht. So als müsste man den Raum nur noch denken, und schon wird er umgesetzt.

„Damit ergeben sich Konsequenzen für Landschaftsarchitekten in Form von neuen Tätigkeitsfeldern“, meinte Wigbert Riehl. Auch wenn diese Berufsfelder ein wenig wie Science Fiction wirken, sind es gerade die Utopien, die zu neuen Ideen beflügeln. Anders als in der Architektur, der Utopien noch nie fremd waren, sollten Landschaftsarchitekten keine Scheu vor Visionen für eine bessere Welt haben und diese Felder mutig besetzen. Schließlich sind sie allein deshalb schon dafür prädestiniert, weil sie es gewohnt sind, in langen Zeiträumen zu denken: Die volle Wirkung entfaltet ein Projekt oft erst nach zwanzig Jahren.

Wigbert Riehl, Latz Riehl Partner Landschaftsarchitekten l Kassel

Wofür steht der Freiburger Gestaltungsbeirat? Welche Werte und Haltungen vertritt er? In lockerer Folge stellen die Mitglieder sich und ihre Arbeit vor. Wigbert Riehl ist der Dritte in dieser kleinen Reihe.
Wigbert Riehl ist Professor für Landschaftsarchitektur und Technik an der Universität Kassel und seit 1990 Gesellschafter von Latz Riehl und Partner Landschaftsarchitekten, ebenfalls in Kassel. Das Büro realisiert Projekte im Bereich Objekt- und Freiraumplanung, Schwerpunkte sind unter anderem die Erneuerung und Weiterentwicklung des urbanen Raums und von postindustriellen Flächen wie zum Beispiel der Landschaftspark Duisburg Nord. Das Büro erhielt für seine Projekte zahlreiche Auszeichnungen.

Genau drei Jahre zuvor hat Tilman Latz in einem Werkbericht die Projekte des Büros vorgestellt.

LATZ RIEHL PARTNER Landschaftsarchitekten l Kassel
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