• Alfenz Bridge © marc.lins
  • Boathouse © marc.lins
  • Diozösanmuseum Fresach © marc.lins

Von der Sinnlichkeit des Betons

Marte.Marte Architekten ZT Gmbh

Seit jeher gehen von der Region Vorarlberg maßgebende Impulse für die zeitgenössische Architekturdiskussion aus. Die Brüder Bernhard und Stefan Marte haben die regionale Bautradition des Bregenzer Waldes besonders radikal und eigenständig interpretiert. „Sie lassen mit Beton, Holz, Cortenstahl und Glas Bauformen entstehen, die in ihrer Reduziertheit einzigartig sind“ so im Ausstellungskatalog der Architekten in der Berliner Galerie Aedes.

Der Werkvortrag von Stefan Marte im Ensemblehaus wird musikalisch umrahmt vom ensemble recherche, dessen Neue Musik der Architektur von Marte Marte in ihrer Kompromisslosigkeit in nichts nachsteht.

Pizzicato – Body Percussion – Beton

Neue Musik und ein Vortrag von Stefan Marte über die Sinnlichkeit des Betons im Ensemblehaus Freiburg

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Was haben Musik und Architektur miteinander zu tun? Was kommt dabei heraus, wenn man Beides miteinander verbindet? Musik braucht einen Raum, in dem sie zur Geltung kommen kann. Umgekehrt bekommt ein Raum, in dem Musik klingt, eine besondere Schwingung. Beide zusammen lösen Emotionen aus, der Raum klingt, knistert und schwingt; er wird spannungsvoll. Jeder kennt das, wenn er zum Beispiel einen Kirchenraum betritt, in dem gerade ein Orgelspiel erklingt. Das Gleiche gilt für neue Räume und Neue Musik.

Das Architekturforum hat seinen fast 200 Gästen etwas Besonderes geboten und in das Ensemblehaus zu einem Vortrag von Stefan Marte über die Sinnlichkeit des Betons eingeladen. Umspielt wurde der Vortrag mit experimenteller Musik vom Ensemble Recherche. Architekten verließen die Welt des rechten Winkels und hörten spitzem Pizzicato zu. Musikbegeisterte wiederum staunten über die Ausdruckskraft von Beton. Die Veranstaltung zudem war eine seltene Gelegenheit, das als Probenraum gedachte Ensemblehaus von innen zu sehen.

Wer bisher glaubte, Beton sei ein grauer und kalter Baustoff, wurde hier eines Besseren belehrt. Das Material ist so facettenreich und wandlungsfähig wie kaum ein anderes und bietet ein enormes gestalterisches Potenzial – das die Brüder Bernhard und Stefan Marte aus Vorarlberg voll ausschöpfen. „Spannungsvolle Räume kann man nur erzeugen, wenn die Materialität zurückgenommen ist und man alles Überflüssige weglässt“, sagt Stefan Marte. Die Stofflichkeit, seine haptisch-sinnliche Seite, seine Formbarkeit und die vielseitigen Möglichkeiten der Oberflächenbehandlung machen Beton zu einem Werkstoff, den Marte.Marte konsequent und kompromisslos nutzen. Sie formen skulptural-monolithische Werke wie zum Beispiel die „Schutzhütte“ im Laternsertal: ein viergeschossiges Gebäude mit quadratischer Grundfläche. Es ragt mit seinen unterschiedlich großen Fensteröffnungen und Freiflächen wie ein freundliches Türmchen aus dem Hang. Die rohe Sichtbetonoberfläche wirkt wie Naturstein und kontrastiert im Inneren zu den konsequent nur aus Eichenholz bestehenden Böden, Fensterrahmen und rustikalen, teils antiken Möbeln. Diese spielen fast ironisch auf den spartanischen Charme alter Skihütten an.

Offen und doch hermetisch ist das eigene Wohnhaus von Stefan Marte: ganz aus Beton – selbst das Flachdach besteht aus einer Betonscheibe – öffnet sich der Kubus mit einer Glasfront zum Tal. Innen sind die Räume konsequent mit hellem Birkenholz ausgekleidet, radikal ehrlich, denn selbst die Schrauben sind sichtbar – ebenso wie der benachbarte „Mädchenturm“ für drei der sechs Töchter. Dieser ist im Kontrast zum Hauptgebäude mit Cortenstahl verkleidet und versteckt seine Schweißnähte nicht. „Ein brachial erzieltes Ganzes“ so Stefan Marte, der, wenn er von der Wärme des Betons in der Abendsonne schwärmt, seine Liebe zu diesem Material nicht verbergen kann.

Eine klare, fast strenge Eleganz vermittelt die Schanerlochbrücke in einem engen Tal zwischen Dornbirn und Ebnit. Zwar liegt sie wie ein massiver, etwas verdrehter Körper zwischen den steilen Felsen, nimmt aber gleichzeitig die Straßenkurve so leicht mit ihrer Unterkante auf und führt die Linie hinüber zum anderen Ufer wie ein mit flachem Schwung hingezogener Federstrich. Filigrane Gefache wiederum, die nichts anderes sind als eine perforierte Betonröhre, bilden die Seitenwände einer überdachten Fahrradbrücke zwischen Brudenz und Schlunz. Die Alfenzbrücke ist so einer neue Interpretation der traditionellen gedeckten Holzbrücke. Das Fortschreiben von lokalen Traditionen ist ein zentrales Thema der Architekten, was sich bei vielen Projekten zeigt, wie etwa bei der Totenkapelle in Batschuns oder dem Diözanmuseum Fresach.

Wer mit Marte.Marte baut, muss sich auf Abenteuer einlassen können. So waren die Bauherren in Rankweil, die eigentlich nur ein Badehaus an einem Biotop im Obstgarten wollten, am Ende glückliche Bewohner einer hybriden Wohnskulptur. Aus dem Teich wurde ein riesiges Wasserbecken als Atrium, um das herum sich ein eingeschossiges Raumgefüge bildet: ein offenes Labyrinth von Sichtbeziehungen und Blickwinkeln, Licht und Schatten. Die verzweigte Pavillonstruktur mit dem Wasser in der Mitte zeigt nach außen hermetischen Sichtbeton, zum Wasser hin transparentes Glas. Dieser Kontrast wirkt spannungsvoll.

Eine spannungsvolle Stimmung erzeugte zum Abschluss auch Christian Dierstein mit seiner Body Percussion. Der Abend war so ein gelungener Dreiklang aus Pizzicato, Body Percussion und Beton.

Stefan Marte, Marte.Marte | Weiler
Die Orte, in denen Marte.Marte bauen, heißen Weiler, Laterns, Fresach oder Rankweil und klingen provinziell – aber ihre Architektur ist weltweit bekannt. Die Brüder Stefan und Bernhard Marte aus Dornbirn sind mit ihrer Baukunst nicht nur konsequent, sondern auch kompromisslos, nahezu radikal, was sie selbst im puristischen Vorarlberg zu Outlaws machte. Beton ist neben Holz, Stahl, Glas und Stampflehm ein zentrales gestalterisches Element ihrer körperhaften, fast skulpturalen Bauten. Die eigenwillige Interpretation von lokalen Traditionen machen ihre Werke oft zu originellen Passstücken im historischen Bestand. Ihr Büro mit 25 Mitarbeitern führen sie in ihrem Elternhaus in Weiler. Das Büro wurde 1993 gegründet.

Marte.Marte Architekten ZT Gmbh | Dornbirn
www.marte-marte.com