• © Markus Bredt

Architektur als Synthese von Funktion | Konstruktion | Deutung am Beispiel von Stadien

gmp Architekten

Volkwin Marg

1965 gründeten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg das Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner.
Heute sind gmp-Architekten mit über 500 Mitarbeitern, die sich auf zehn Bürostandorte verteilen, im In- und Ausland aktiv. Unter anderem bauen sie in China, Indien, Vietnam, Brasilien, Russland und im europäischen Ausland.
Seit der Modernisierung des Berliner Olympiastadions ist das gmp-Architektenteam auch als Spezialist für Stadien und Arenen bekannt. Sowohl die Stadien in Kapstadt, Durban und Port Elizabeth für die Fußballweltmeisterschaft 2010, in Brasília, São Paolo, Manaus und Belo Horizonte für die WM 2014 als auch eine lange Reihe Projekte und Neubauten in ganz Europa, den Golfstaaten, Nordafrika oder China verdeutlichen die weltweite Bedeutung des Büros in diesem speziellen Gestaltungsbereich.
Anhand eigener Bauten und Projekte veranschaulicht Volkwin Marg, wie die unterschiedlichen kulturellen Kontexte - der Genius Loci - unterschiedliche Funktionen und die jeweilige Konstruktion zur Ästhetik einer unverwechselbaren Architektur verschmelzen.

Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Stadt Freiburg und mit Unterstützung des SC Freiburg, der FWTM Freiburg, der Architektenkammer Baden-Württemberg, Bezirk Freiburg und des BDA Baden-Württemberg statt.

Die „Kathedralen der Neuzeit“

Volkwin Marg (gmp – Architekten von Gerkan, Marg und Partner) über Stadien im Konzerthaus Freiburg

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Alle paar Jahre, wenn eine Weltmeisterschaft oder eine Olympiade ansteht, macht die spektakuläre Architektur der Stadien von sich reden. Manchmal avancieren sie sogar zum markanten Wahrzeichen einer Stadt. Die heutzutage vielleicht größten Bauten für öffentliche Massenveranstaltungen werden oft als „Kathedralen der Neuzeit“ bezeichnet. Auch Freiburg diskutiert ein neues Stadion. Da war es naheliegend, sich einen Experten anzuhören, der mit seinem Büro in diesem Bereich weltweit Aufsehen erregt hat.

Im voll besetzten Runden Saal des Freiburger Konzerthauses beließ es Volkwin Marg nicht bei einer Werkschau der zahlreichen Stadien, die das international tätige Büro gmp – Architekten von Gerkan, Marg und Partner realisiert hat, sondern brachte seinen rund 320 Zuhörern in einem kurzweiligen Vortrag sein Architekturverständnis nahe. Für ihn ist Architektur eine Synthese aus Funktion, Konstruktion und Deutung. Nach seiner Auffassung ist Architektur dann gelungen, wenn „die innere Funktion, die dafür außergewöhnliche Konstruktion und die zeichenhafte Deutung des kulturellen Kontextes – des Genius Loci – sinnfällig zu einer harmonischen Einheit verschmelzen“.

Am deutlichsten sei dieser Zusammenhang an der mittelalterlichen Architektur ablesbar: Der kreuzförmige Grundriss etwa einer Basilika ergebe sich nicht nur aus deren Funktion, sondern auch aus der Deutung des Kreuzes als Symbol des ewigen Lebens. Hingegen entwickelten sich gotische Kathedralen nicht nur deshalb in die Höhe, weil die christliche Ideenwelt mehr als zuvor dem Himmel entgegen strebte: Es waren auch die technischen Erfindungen und konstruktiven Möglichkeiten, die ein solches Bauen überhaupt zuließen. Diese enge Verzahnung führte sich über die Jahrhunderte fort. Im Industriezeitalter wurden Architektur- und Ingenieurleistungen getrennt, und damit gab es einen Bruch, konstatierte Marg.

Das bedeute jedoch nicht, dass eine solche Harmonie heute nicht mehr gelänge: Im 20. Jahrhundert findet der Hamburger Architekt die ideale Einheit von Funktion, Konstruktion und Deutung etwa im Münchener Olympiastadion, das samt Außenanlagen 1972 von Behnisch & Partner, Frei Otto und Günther Grzimek realisiert wurde. Der moderne Sporttempel mit seiner offenen und leichten, völlig neuartigen Zeltkonstruktion wurde damals sogleich zu einer Ikone des neuen demokratischen Deutschland, das zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine Olympiade ausrichtete und sich so von den monumentalen Bauten des Nationalsozialismus abgrenzte.

Zwei großmaßstäbliche Bauten von gmp, die keine Stadien sind, nehmen Bezug auf lokale Traditionen: In der Messestadt Leipzig knüpft die Glaskonstruktion von 1995 an den berühmten Londoner Kristallpalast für die Weltausstellung 1851 an. Für die Neue Messe Rimini (2001 fertig gestellt), schöpften die Architekten aus dem Vokabular der klassischen italienischen Baukunst: Kuppel, Campanile, Säulengänge und eine Rotunde mit Steinfußboden, dessen sternförmiges Ornament den Kapitolsplatz von Michelangelo zitiert.

Ganz besonders beim Bauen in anderen Kulturkreisen ist es wichtig, sich mit der Ästhetik der Deutung auseinanderzusetzen, befand Marg. Im Century Lotus Sportpark im chinesischen Foshan (2006) sollte ein Stadion nach Vorgaben „reinster, konstruktiver Logik“ realisiert werden. Das Grundprinzip der Konstruktion folgt einem liegenden Speichenrad mit gefaltetem Membrandach. Auf einem grünen Hügel liegend, gleicht das Dach einer Lotusblüte. So ist über die Konstruktion hinaus eine zeichenhafte Deutung des Genius Loci gelungen. Für das Stadion in Libyens Hauptstadt Tripolis, das 2017 das African Cup of Nations ausrichtet, wurde eine Dreibogenkonstruktion entworfen, die die Verbindung der drei antiken Städte symbolisieren soll, aus denen Tripolis besteht.

„Stadien markieren architektonisch das jeweilige Gemeinwesen, das sie repräsentieren. Ein Deutungsanspruch, der auf den Wunsch nach architektonischer Einzigartigkeit und bezeichnender Identität zurückgeht“, betonte Marg. So sollte etwa das Moses-Mabhida-Stadion in Durban für die Fußballweltmeisterschaft 2010 ein Symbol für die Zusammengehörigkeit der vielen Ethnien werden, die in der „Regenbogennation“ Südafrika zusammenleben. Die Seilkonstruktion des Daches wird nun von einem weithin sichtbaren Bogen getragen, der sich zur Stadt hin öffnet.

„Architektur als Synthese aus Funktion, Konstruktion und Deutung“: So lautete der Vortrag von Volkwin Marg, der in seinem architekturtheoretischen Ansatz weit über den Stadionbau hinausging. Wer dabei war, sieht jetzt die viel zitierte Aussage, Stadien seien die Kathedralen der Neuzeit, in einem neuen Licht.

Mit einem Blick auf die Projekte für die bevorstehende Fußball-WM in Brasilien schloss der Architekt seine Ausführungen, über die das Publikum beim anschließenden Stehempfang ausführlich diskutierte.

Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Stadt Freiburg und mit Unterstützung des SC Freiburg, der FWTM Freiburg, der Architektenkammer Baden-Württemberg, Bezirk Freiburg und des BDA Baden-Württemberg statt.

Volkwin Marg, gmp-Architekten l Hamburg
1965 gründeten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg das Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner, heute sind gmp mit über 500 Mitarbeitern, die sich auf zehn Bürostandorte verteilen, im In- und Ausland aktiv. Unter anderem bauen sie in China, Indien, Vietnam, Brasilien, Russland und im europäischen Ausland. Seit der Modernisierung des Berliner Olympiastadions ist das gmp-Architektenteam auch als Spezialist für Stadien und Arenen bekannt. Sowohl die Stadien in Kapstadt, Durban und Port Elizabeth für die Fußballweltmeisterschaft 2010, in Brasília, São Paolo, Manaus und Belo Horizonte für die WM 2014 als auch eine lange Reihe Projekte und Neubauten in ganz Europa, den Golfstaaten, Nordafrika oder China verdeutlichen die weltweite Bedeutung des Büros in diesem speziellen Gestaltungsbereich.

gmp Architekten | Hamburg
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