• Hofbibliothek © Bernhard Strauss

Wie die Jungfrau zum Kind

gäbele & raufer architekten BDA l Donaueschingen

Lukas Gäbele

Wenn engagierte Bauherren es wagen, sich mit historischer Bausubstanz auseinanderzusetzen und noch dazu einem jungen Büro Vertrauen schenken, kann Interessantes entstehen. Zwei fast vergessene Bauten aus den Jahren 1735 und 1848 wurden von Tanja Raufer und Lukas Gäbele gemeistert. Sie wieder für das öffentliche Leben zu öffnen, war eine große Aufgabe, deren Ergebnis sich sehen lassen kann und mit dem Deutschen Denkmalschutzpreis 2012 ausgezeichnet wurde.

Zwischen Abstraktion und Einfühlung

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Lukas Gäbele von Gäbele & Raufer. architekten berichtet, wie man historische Gebäude behutsam renoviert – und macht gleichzeitig Mut zur modernen Intervention

Wenn engagierte Bauherren es wagen, sich mit historischer Bausubstanz auseinanderzusetzen und noch dazu einem jungen Architekturbüro Vertrauen schenken, kann Interessantes entstehen. Zwei fast vergessene, denkmalgeschützte Bauten wurden von Gäbele & Raufer Architekten wieder für das öffentliche Leben zugänglich gemacht – eine große Aufgabe, deren Ergebnis mit mehreren Preisen, darunter dem Denkmalschutzpreis 2012 ausgezeichnet wurde. Im Architekturforum Freiburg stellte Lukas Gäbele erstmals vor einem breiteren Publikum die Arbeiten des 2008 gegründeten Büros vor.

In Donaueschingen befindet sich das erste Projekt der beiden Architekten: der Umbau des 1841 erbauten Hauses der Donaueschinger Museumsgesellschaft zum „Museum Biedermann“. Dieses in einem weitläufigen Park an der Brigach gelegene Gebäude war lange Zeit als Kino genutzt worden, bis die Kunstsammlerin Margit Biedermann es kaufte und ab 2008 umbauen und erweitern ließ. Für den rückwärtigen Anbau mit U-förmigem Grundriss übernahmen die Architekten die achsensymmetrische, strenge Komposition des klassizistischen Baus. Einen Kontrast zum hellen Hauptbau bildet dagegen die dunkle Oberfläche des Sichtbetons. Alle dienenden Funktionen des Museums wie Aufzüge, Anlieferung oder Verwaltung wurden in diesen Neubau integriert, so dass der historische Bau vollständig für die Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Der Altbau selbst wurde behutsam transformiert: Den Keller tieften Gäbele und Raufer ab und erweiterten ihn. Die Tragwände im ehemaligen Kinosaal zogen sie wieder ein, um den axialen Grundriss wieder aufzunehmen. Die Holzbalkendecke des acht Meter hohen Spiegelsaals ließen sie so mit Beton verbinden, dass sie hohe Lasten tragen kann, für die sie ursprünglich nicht gedacht war.

Das zweite denkmalgeschützte Gebäude, mit dessen Umbau Gäbele & Raufer 2010 beauftragt wurden, liegt nur wenige Straßen entfernt: die 1732 errichtete „Alte Hofbibliothek“ sollte nach langem Leerstand wieder für Veranstaltungen und als Restaurant genutzt werden. Auch hier schafften es die Architekten, möglichst wenig historische Bausubstanz zu zerstören. Moderne Elemente stellen wohlüberlegte Bezüge zur Geschichte des Barockgebäudes her, so etwa die Betonwände mit erhabenen Ranken-Ornamenten am Treppenhaus und Aufzugsschacht. In den ehemaligen Bibliotheksräumen konnten die alten Bücherschränke erhalten werden, die Technik wurde hinter und in den Wänden verborgen – die Risse im Holz dienen als Lüftungsschlitze. In das barocke Kellergewölbe schließlich bauten sie ein kleines Toilettenhäuschen aus Beton ein: ein Raum im Raum, mit Giebel und Satteldach und wiederum floralen Ornamenten. Stärker könnte der Kontrast kaum sein, und doch bleiben so die originalen Natursteinwände unberührt.

Gäbele und Raufer haben behutsam die Geschichte der beiden historischen Orte an der Architektur ablesbar gemacht und sich gleichzeitig nicht davor gescheut, eigene markante Interventionen einzubringen: eine schwierige Gratwanderung, die das Büro mit Bravour gemeistert hat.

gäbele & raufer architekten BDA l Donaueschingen
Tanja Raufer und Lukas Gäbele gründeten ihr Büro 2008 in Donaueschingen. Seitdem haben sie sich unter anderem auf das Bauen im Bestand spezialisiert und sich mit ihrer einfühlsamen und doch selbstbewussten Architektur einen Namen gemacht. Das Verfahren, Motive auf Beton aufzubringen, wurde inzwischen patentiert und hat einen eigenen Namen: „Ornamentbeton“. Im Fall der Alten Hofbibliothek wurden Abgüsse der originalen Strukturtapeten aus dem 19. Jahrhundert auf die Schaltafeln aufgebracht – oder an anderer Stelle eine Originalschrift des Nibelungenlieds aus dem Bestand der Bibliothek. Anders als der Strukturbeton lässt sich der kostengünstigere Ornamentbeton direkt auf der Baustelle herstellen.

gäbele & raufer architekten BDA l Donaueschingen
www.gaebeleraufer.de