• Hafencity Hamburg ©  Fotofrizz
  • Vasilievsky Island St. Petersburg © KCAP | Orange Architects
  • Jurong Lake District Singapur ©  KCAP

Transformation, das Großprojekt

KCAP Architects & Planners | Rotterdam

Kees Christiaanse

Weltweit entstehen in größeren Städten neue komplexe und hochverdichtete Großprojekte, wie etwa La Defense in Paris, HafenCity in Hamburg, West-Kowloon in Hongkong oder Marina Bay in Singapur. Diese riesigen Vorhaben stellen heute eine etablierte Form der Städtebaupraxis dar mit dem Ziel, urbane Zentralitäten neu zu definieren oder zu erweitern.

Diese Projekte verhalten sich jedoch unvorhersehbar. Der lange Realisierungszeitraum führt oft zu sich verändernden Programmen oder Gebäudeensembles; politische und wirtschaftliche Randbedingungen beeinflussen ihre erfolgreiche Fertigstellung und, sehr wichtig, ihre weitreichenden Auswirkungen auf den lokalen und globalen Kontext werden oftmals nicht richtig eingeschätzt. Darum verlangen solche Projekte nach einer strategischen Herangehensweise, in der stufenweise Entwicklung, Flexibilität und Anpassbarkeit an den Kontext ständig überwacht werden, damit eine erfolgreiche Umsetzung gewährleistet werden kann.

Kooperation | Stadt Freiburg | FWTM | BDA | AKBW | Caparol | JUNG | Siedle

Singapur in Freiburg: Inversion und Subtraktion
Der Stadtplaner Kees Christiaanse über Großprojekte

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Weltweit entstehen komplexe und hochverdichtete Großprojekte, wie etwa La Defense in Paris, HafenCity in Hamburg, oder Marina Bay in Singapur. Da diese über viele Jahre hinweg realisiert werden, verhalten sie sich unvorhersehbar. Programme und Nutzungen, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen verändern sich, und oft werden die weitreichenden Auswirkungen auf den lokalen und globalen Kontext falsch eingeschätzt. Kees Christiaanse, Gründer des weltweit tätigen Büros KCAP und Professor für Architektur und Städtebau an der ETH Zürich, hat jahrzehntelange Erfahrung in der Planung und Umsetzung solcher Megaprojekte. Er weiß, wie man solche Projekte strategisch angeht, stufenweise entwickelt und flexibel hält, um die Planung an den sich ändernden Kontext anpassen zu können. Seine Strategie stellte er im Rahmen der November-Veranstaltung des Architekturforums Freiburg e.V. den fast 400 Gästen im Freiburger Konzerthaus vor. Dieser Event fand zum sechsten Mal in Kooperation mit der Stadt Freiburg, der FWTM, dem BDA und der Architektenkammer Baden-Württemberg, sowie in diesem Jahr mit Unterstützung der Firmen Caparol, Jung und Siedle statt.
Der renommierte Städteplaner Christiaanse führte das Freiburger Publikum von Zürich nach Hamburg, Amsterdam, Rotterdam und schließlich Montpellier. Von dort ging es zu den Megacities Seoul, Shanghai und Singapur, deren Dimensionen für europäische Maßstäbe geradezu unvorstellbar sind. Doch auch hier schaffte es das Büro KCAP, Diversität und eine verträgliche Maßstäblichkeit hineinzubringen. Die Kernpunkte der Strategie, um Hyperurbanisierung und Megalomanie sind Subtraktion und Inversion.

An der Europa-Allee in Zürich demonstrierte der Holländer, wie er zuerst die maximal möglichen Bauvolumina plante und dann den nötigen Leerraum wieder heraus schnitt: Straßen, Plätze, Sichtachsen, Licht- bzw. Verschattungsflächen. „Dann erhält man gewisse Hüllen, und wenn die Architekten innerhalb dieser Hüllen bauen, sind die wichtigsten städtebaulichen Voraussetzungen gegeben“. Ebenso geht das Büro bei einer weiträumigen Hochhausanlage in Seoul vor, für die die ehemalige Wegeführung der Altstadt als Grundlage für die Entwicklung der Struktur herangezogen wird. Damit bleibt die alte Maßstäblichkeit und Heterogenität erhalten.

Am Beispiel von Flughäfen zeigte Christiaanse, wie negative Auswirkungen ins Positive umgekehrt werden können. Am Amsterdamer Flughafen Schiphol entstand innerhalb der nicht bebauten Lärmkonturen ein „Lärmpark“, der so modelliert ist, dass die Profile der Landschaft den Lärm zerstreuen. Ausgerechnet eine lärmbelastete Region wird so zu einem Erholungsgebiet – eindrücklicher kann man sich Inversion kaum vorstellen.

Christiaanses Strategie ist dabei: „Behindernde Rahmenbedingungen nutzen, um landschaftliche oder urbane Qualitäten zu schützen – und damit eine robuste Struktur von Grün und öffentlichen Räumen schaffen, die auch langfristigen Veränderungen standhält“. In Montpellier erwirkte er, dass die geplante TGV-Bahnlinie mit der Autobahn nach Barcelona zusammengelegt wird, damit der Verkehr in einer gemeinsamen Trasse mit Lärmschutz und Grünrahmen verläuft. Auch Strukturen für Quartiere wurden bereits vordefiniert, um zu verhindern, dass der Bahnhof eine Zersiedelung nach sich zieht.

Als Abschluss des Vortrags präsentierte Christiaanse den Jurong Lake District in Singapur. Dieses Quartier rund um den Bahnhof der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecke Kuala-Lumpur – Singapur wird auf mehr als vier Millionen Quadratmetern Raum für Wohnen, Arbeit, Gewerbe und Freizeit bieten. Der Masterplan dieser Smart City stammt von einem multidisziplinären Team unter der Leitung von KCAP und soll sich dezidiert an dem Modell der europäischen Stadt mit hoher Dichte anlehnen, heterogen, flexibel und nachhaltig sein. Die 135 Meter hohen Gebäude erhalten alle Grünflächen mit einer Erddeckung von einem Meter, sodass eine schwebende Dachlandschaft entsteht. So sorgt das Regenwasser durch Verdunstung ebenso wie die vielen Innenhöfe für Kühlung und für eine gute Ökobilanz. Die innere Kompaktheit des Distrikts sorgt für kurze Wege, Autos wird es kaum geben.

Bei jeder größeren Entwicklung, die man vor sich habe, betonte Christiaanse zum Abschluss, müsse man entscheiden, ob maximale Kompaktheit oder maximale Ausdünnung nötig sei, um für eine bessere Beziehung zwischen Stadt und Landschaft zu sorgen und so eine klimatisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltige Situation zu schaffen.

KCAP (Kees Christiaanse Architects & Planners) ist ein international operierendes Entwurfsbüro spezialisiert in Architektur, Städtebau und Landschaftsplanung. Seit der Gründung 1989 von Kees Christiaanse hat sich KCAP zu einem führenden internationalen Büro mit Niederlassungen in Rotterdam, Zürich und Shanghai entwickelt. Das Oeuvre von KCAP ist umfangreich und vielfältig, von großmaßstäblichen städtebaulichen Transformationen und Landschaftsplanungen bis zu Architektur und Innenraumgestaltung in Europa und Asien.

KCAP Architects & Planners | Rotterdam
www.kcap.eu/en/