• © Wilma Leskowitsch

The Happy (Never) Endings of Architecture

Andreas Ruby | Direktor Schweizer Architekturmuseum S AM | Basel

Warum sprechen wir davon, dass ein Gebäude fertig gestellt sei, obwohl seine Bewohner noch nicht einmal eingezogen sind? Ist die Architektur „fertig" ohne das Leben der Menschen, die sie bewohnen und irgendwann baulich verändern, wenn sich ihre Bedürfnisse verändern? Wenn man die „Übergabe“ eines Gebäudes mit der Geburt eines Menschen vergleicht, dann würde das Leben eines Gebäudes erst danach richtig anfangen. In der medialen Kommunikation von Architektur scheinen Gebäude nur als Babies interessant zu sein. Dabei verpassen wir das Aufregendste, was Architektur zu bieten hat: Das Abenteuer ihrer eigenen fortwährenden Transformation.

Andreas Ruby ist deutscher Architekturkritiker, Buchverleger und Ausstellungskurator. Seit 2016 ist er Direktor des Schweizerischen Architekturmuseums S AM in Basel.

Kooperation

„War‘s das jetzt oder fängt es erst an?“

von Sabine Lauffer, Freiburg | diestadtbetrachterin.de

Schon lange war das Architekturforum nicht mehr zu Gast in den Räumen des PEAC und der Vortrag von Andreas Ruby über das Verhältnis von Architektur und Zeit fügte sich passend in das Ausstellungsthema Klang, Körper und Raum ein. Der Architekturkritiker, Architekturliebhaber, Verleger, Museumsdirektor und Ausstellungsmacher hinterfragte die traditionelle Wahrnehmung von Architektur, die oft mit dem Abschluss eines Bauprojekts als "fertig" betrachtet wird. Er argumentierte stattdessen, dass Gebäude niemals wirklich abgeschlossen sind, sondern sich wie Lebewesen im Alltag weiterentwickeln und verändern.

Bereits in den 1990er Jahren haben sich verschiedene Autoren mit den vielschichtigen Veränderungen von Gebäuden auseinandergesetzt. Andreas Ruby verwies auf die Publikationen „On Weathering. The life of buildings in time“ (Mohsen Mostafavi, David Leatherbarrow) und „How buildings learn. What happens after they are built“ (Steward Brand). Die Autoren sind überzeugt davon, dass die Gebäude mit den Jahren an Bedeutung gewinnen und die Bewohner mit Fantasie und neuen Ideen die ursprünglichen Gebäude veredeln. Ähnliches passiert in der Musik. Musiker komponieren zu einer Melodie zahlreiche Varianten und werten dadurch den Ursprung auf.

In der Architekturgeschichte finden sich dazu zahlreiche Beispiele: Die Mezquita-Catedral de Córdoba wurde als Moschee gebaut und ist heute Kathedrale. Auf dem Areal des Diokletianspalastes in Split, einem antiken Baukomplex, wurden die ursprüngliche Räume zu Wohnhäusern aufgeteilt. Dabei wurde die Struktur des Palastes genutzt und so wenig wie möglich beschädigt. Der ursprünglich spätromanische Bau des Lübecker Rathauses integrierte im Laufe der Geschichte verschiedene Baustile und Funktionen. Alle Gebäude zeichnen sich durch eine kontinuierliche Transformation aus, die ein wesentlicher Bestandteil ihrer heutigen Identität ist.

Im Werk des Architekten Jože Plečnik verbindet sich die Vergangenheit mit der Gegenwart. Darin werden antike Elemente wie Säulen, Balkone, Balustraden oder gotische Rosetten verändert und neu kombiniert. Sein Ziel war es, seine Heimatstadt Ljubljana zu einer modernen Stadt nach dem Vorbild des antiken Athens umzubauen. Die Neugestaltung des Zentralfriedhofs Žale sei hier stellvertretend für viele weitere Projekte genannt.

Andreas Ruby empfiehlt genaues Hinsehen und er schlägt an dieser Stelle wieder die Brücke zur Musik. Auch genaues Hinhören muss erlernt werden, wie die vertrauten Beatlesklänge von Got to Get You into My Life im Coversong der Band „Earth, Wind and Fire“ herauszuhören. Ob in der Musik oder Architektur, Andreas Ruby interessiert der Alterungsprozess und die kreative Weiterentwicklung des Ursprünglichen, die niemals endet.